Blaetterbuche

kleine plaudereien um worte, bilder und musik
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 Betreff des Beitrags: august
BeitragVerfasst: 25. Feb 2016, 20:40 
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Registriert: 9. Mär 2008, 13:00
Beiträge: 3725
morgens saß er auf der holzkiste neben dem küchenherd,
unrasiert - die haare waren immer eine unbekannte gleichung der windrichtung.
die große kaffeetasse in beiden händen, noch immer in langem nachthemd.

wir sahen ihm ehrfürchtig zu wie er den hefezopf behutsam in den kaffee tunkte,
spätestens ab dem zeitpunkt war er nicht mehr von dieser welt.

kinder spüren diese momente,
werden für diesen kurzen augenblick erwachsene -
und vergessen es im nächsten wieder.

das älteste bild von ihm, das ich kenne, zeigt einen jungen mann.
die krawatte auf halbmast.
man könnte meinen ein foto nach einer prügelei im wirtshaus -
und das käme der wahrheit wohl ziemlich nahe.

sein letztes bild ein alter mann auf einem stapel holz vor dem hühnerstall.
müde, die hände auf die oberschenkel gestützt.
er wird bald gehen nur mit einer plastiktüte in der hand.
seinem zweiten wird er sagen ich komme nicht wieder aus dem krankenhaus.

die oberen - immer machen sie die gleichen fehler:
bauern, handwerker in den krieg schicken.

aus rußland schmuggelte er bilder in den socken heim,
seinen söhnen sagte er betet zu gott, daß wir den krieg verlieren.

seine einzige kuh holte er aus dem wald zurück von den deutschen soldaten.
sie taugte genau so wenig für den krieg wie er - mein großvater.


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 Betreff des Beitrags: Re: august
BeitragVerfasst: 26. Feb 2016, 09:25 
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Registriert: 10. Feb 2016, 18:02
Beiträge: 96
Papa

Dass mein Vater ein Krüppel war, fiel mir in meiner Jugend nicht auf. Es gab viele Männer, denen ein Arm oder die Beine fehlten oder deren Gesichter zerschossen waren.
Wenn er mit seinem umgebauten Fahrrad die Kopfsteinpflasterstraße entlangfuhr, beschützten ihn die Panzer der Alliierten. Der Krieg war vorbei; auch an Vater war er vorbeigegangen.Als behindertes Kind hatte er in der Hitlerjugend mitspielen dürfen,zu mehr war er nicht nütze,wie man zu Hause sagte.
Vater war selbständig. Das klingt zynisch, Vater war nie selbständig.
Werktags fuhr er in seinem Auto und verkaufte als Großhandelsvertreter Papier.
Sonntags brütete er zunächst über seinen Steuererklärungen und anschließend beschäftigte er sich mit seiner Briefmarkensammlung. Dabei paffte er eine gute Zigarre.
Er liebte meine Mutter unbeholfen und aussichtslos. Als junger Mann schrieb er Naturgeschichten.
Er starb mit 56 Jahren an den Spätfolgen eines Verkehrsunfalls als Beifahrer.
Er war mir fremd.
Jetzt entdecke ich ihn in mir.


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