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Registriert: 9. Mär 2008, 13:00 Beiträge: 3571
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partsofme Verfasst am 08.03.2009 21:47
Lieber Reiner,
Vorschläge nehme ich immer gerne entgegen, vor allem die zuerst unterschlagenen - so viel grausame Prügelei kann ja nur horrorbegünstigend wirken!
Die Dämmerung ist, sowohl in Bezug auf die Tages- bzw. Nachtzeit, als auch auf der geistigen Ebene, ein von mir angestrebter Zu- und Umstand. Diese Grauzone zwischen Tag und Nacht, zwischen geistiger Umnachtung und Erleuchtung, bietet - einerseits schon in leichtes Morgenrot getaucht, andererseits noch von den schemenhaften Schatten und Schattierungen der Nacht verzerrt - einen breiten Raum für Erkundungen, Spekulationen, Phantasmagorien, bevor das unerbittliche, grelle Tageslicht der Traumtänzerei ein jähes Ende bereiten und die Welt in ihren kompromisslosen Sog von Realitätsansprüchen ziehen kann.
Nachdem dir die Rolle des Biestes wirklich genehm zu sein scheint, überlasse ich sie dir halt (komm aber dann ja nicht heulend angerannt, wenn eine blutrünstige Meute mit Fackeln und Heugabeln hinter dir her ist). Ich persönlich halte mich da lieber persönlichkeitsspaltend an Robert Louis Stevenson - das bietet einerseits den Vorteil einer Rolle des durchgeknallten Wissenschafters, der, sowohl bewundert als auch gefürchtet, eigenbrödlerisch und abgeschnitten von der Außenwelt, sein manisch-besessenes Leben führt. Zudem beinhaltet das aber auch noch die dunkle, böse, somnambule Erscheinung eines Hedonisten, der jenseits aller Konventionen und moralischen Grenzen, ein von reiner Egomanie und Lebenslust geprägtes Dasein bestreitet (und das auch noch hauptsächlich in der reizvollen nächtlichen Schattenwelt). Ein Happy End wie in deinem Fall, gibt es in meiner Geschichte zwar keins - soweit ich sehe, der einzige Haken an der ganzen Sache - aber vielleicht könnte man diesbezüglich ja noch eine kleine Änderung vornehmen.
Welches Ende würdest du denn eigentlich für unser Romanprojekt vorschlagen? Ich tendiere ja generell zu einem dystopisch-düsteren oder einem wage-hoffnungsvollen Ende (möglich wäre auch eine Synthese aus beidem), auf jeden Fall aber zu einem offenen - einem zur Unendlichkeit neigenden Wurstkranz sozusagen. Ich weiß, es ist noch viel zu früh, über ein Ende nachzudenken - wir haben ja gerade mal angefangen - solange es aber bei einem offenen Ende bleibt, wäre das Ganze schon diskutabel, würde ich meinen.
Ein sehr schönes Beispiel für die Nahrungskette hast du da anhand deiner kindlichen Stallhasenerlebnisse gezeichnet! Solch angewandte Naturzyklen durfte ich auch in meiner Kindheit auf dem Bauernhof erleben, wobei sich meine lebhaftesten Erinnerungen nicht auf Hasen (vermutlich aufgrund ihres unscheinbar-hoppelhaften, ruhigen Lebensstils), sondern auf freilaufende Hühner (vermutlich aufgrund ihrer annähernd permanenten lautmalerischen Präsenz, die meist sehr ungünstig mit meinen Schlafgewohnheiten kollidierte, und auch nicht zuletzt wegen ihrer Hinterlassenschaften, die sich oft unangenehm auf unbeschwerte Wiesenspaziergänge und die sie ausführenden, unbeschuhten kleinen Füße auswirkten). Aus Schilderungen der älteren Familienmitglieder habe ich erfahren, dass ich nicht selten mit den gewünschten Hinterlassenschaften der gackernden Meute nach selbiger warf (welche sie, zu meiner großen Belustigung, auch dankend entgegennahm und sie sich, beinahe kannibalistisch, wieder einverleibte - ein, bei genauerer Betrachtung, zwar etwas verstörender, aber dennoch natürlicher Kreislauf), mein Vater dürfte diesem meinem Treiben jedoch schnell Einhalt geboten haben, sodass ich mich fortan anderer Wurfgeschosse zur Vertretung meines Standpunkts bedienen musste (darunter kleinere Steine, faulige Äpfel, selbstgeschnitzte Pfeile - aus einem ebenfalls selbstgefertigten Bogen abgefeuert usw.). Um alle Tierschützer (und jene, die es nach meinen Ausführungen vielleicht noch werden wollen) zu beruhigen: Ernsthaft zu Schaden gekommen ist dabei kein gefiederter Zweibeiner. (Es gab lediglich einmal eine unglückliche Verkettung von Ereignissen, wobei mir nie nachgewiesen werden konnte, dass es sich dabei um etwas anderes als einen Unfall gehandelt hatte.)
Soviel zu meinen Hühnererlebnissen - du siehst, meine Kindheit war gar nicht so unschuldig und malerisch, wie du es dir vielleicht vorgestellt hast. Geprägt von diesen juvenilen martialischen Bestrebungen, bin ich vom Wildfang am Lande zu einer Wortfängerin in der Stadt herangewachsen - eine logische Entwicklung, wenn man es genauer bedenkt.
Deinen Tipp mit den Zimmerpflanzen werde ich sicherlich beherzigen - ich bin da wohl einem Trick der Kühlschrankindustrie anheim gefallen, die uns weißmachen will, dass sich wirklich so gut wie alles in den von ihr produzierten Todesfallen frisch halten lässt. Danke dir also sehr, für deine Aufklärungsarbeit - ich werde das nächste Schneeglöckchen, das ich erwerbe, auf jeden Fall "Reiner" nennen!
Ja, der Frühling hält auch bei uns stürmischen Einzug, der Angeber! Mal sehen, ob er auch hält, was er so großkotzig ankündigt, oder ob er sich doch nicht zu sehr aufbläst, nur um dann erst, mit allzu lauen Lüftchen, dem Sommer den Vortritt zu lassen (um ihm danach umso besser wieder in den Rücken fallen zu können). Ich traue ihm auf jeden Fall nicht, diesem Lenz, und werde mich auch noch bis in den Mai hinein weigern, meine Winterjacke einzumotten.
Alles Liebe, Karin
PS: Ja, ich habe mich wieder ziemlich verschachtelt. Falls du jetzt allerdings auf eine Entschuldigung hoffst, muss ich dich enttäuschen, daran denke ich gar nicht - schon gar nicht angesichts der Tatsache, dass ich auch bei dir schon leichte Verschachtelungstendenzen bemerkt zu haben glaube. Sollte ich dich etwa angesteckt haben mit dieser exotischen Form des sich unkrautartig ausbreitenden urzeitlichen Schlingpflanzen-Schachtelsatzes?!
_________________ (,,,) (,,,) (,,,) (,,,)solange die worte mich finden
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